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Stolperstein für Alfred Cussel - Markt 6

Alfred Cussel ist am 14. Juli 1881 in Celle geboren. Er starb am 14. April 1941 in Berlin und wurde dort auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beerdigt. Steffi Cussel, Alfreds Tochter, schrieb in ihren Erinnerungen über die letzte Lebensjahre ihres Vater:

“Meines Vaters Gesundheit hatte durch die Aufregungen und den Gram über unsere ausweglose Lage sehr gelitten. Die Eltern hatten bald nicht mehr genug Geld, um sich die nötigen Lebensmittel zu beschaffen. ... In dem kalten Winter 1940/41 hatten die Eltern kein Heizmaterial. Mein Vater erkrankte an Lungenentzündung und verstarb am 14. April 1941".

Es ist nicht viel über die Lebensgeschichte von Alfred Cussel bekannt, aber das wenige, das sich überliefert hat, hat sein Großsohn Robert Cussel, der heute in Canberra in Australien lebt, zusammengefasst.

Alfred Cussel heiratete am 30. Juli 1912 in Berlin-Charlottenburg die am 15.10.1889 in Berlin geborene Rosa Erna (Recha) Lesser. Nach kurzer Ehe wurde das junge Ehepaar durch den Ersten Weltkrieg getrennt: Alfred Cussel diente seinem Vaterland als Offizier an der Ostfront.

In dieser Ehe kamen drei Kinder zur Welt. Sohn Claus starb als kleines Kind. Steffi, geboren am 7. November 1918, und Peter, geboren am 16. Februar 1920, kamen beide in Breslau zur Welt. Die Familie kehrte mit ihren beiden kleinen Kindern 1926 nach Berlin zurück und lebte dann in Berlin-Friedenau, Rubensstraße 97.[1]

Ursprünglich hatte Alfred Cussel den Beruf des Steinmetz gelernt, arbeitete später als Direktor einer großen Baufirma, die z. B. das von dem bekannten Architekten Emil Fahrenkamp entworfene Shellhaus in Berlin errichtete. Die Firma war damals führend in der Betonbauweise und baute in den frühen 1930er Jahren auch das Olympische Schwimmbecken in Haifa. So lernte Alfred Cussel Palästina kennen und unterrichtete bei seinen Besuchen dort am Technion in Haifa, der wichtigsten Technischen Universität in Israel. Noch heute erinnert die „Rechov Cussel“ (Cussel-Straße) in Haifa an Alfred Cussel.

Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten und die damit verbundenen antijüdischen Gesetze verlor Alfred Cussel seine Arbeit. Die Familie musste von ihrem Ersparten leben. Die 5 ½ Zimmer Wohnung, die die Familie Cussel bis dahin in Berlin-Wilmersdorf in der Lauenburgerstraße bewohnt hatte, war nicht mehr zu halten. Die Familie zog in ein möbliertes Zimmer um. Die beiden Kinder Steffi und Peter mussten die Schule verlassen und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen. Steffi arbeitete für die nächsten zwei Jahre als Hausangestellte bei dem jüdischen Kaufmann Dr. Fritz Wolff in Berlin-Gesundbrunnen. Peter absolvierte von Mai 1934 bis April 1937 eine Ausbildung als Maurer.

Als die Familie Wolff Deutschland verließ trat Steffi eine Stellung im Kindergarten von Käthe Süsskind in der Fasanenstraße 50 an. Auch Käthe Süsskind emigrierte Anfang 1939 nach England. Wenig später musste Steffi Cussel bei der Firma Siemens in Berlin Zwangsarbeit leisten.

Die Familie Cussel versuchte Deutschland zu verlassen. Nur Peter Cussel bekam 1938 ein Visum für Australien. Er lernte in Sydney einen jüdischen Geschäftsmann kennen, der ihm bei den Vorbereitungen für die Einreise seiner Familie nach Australien half. Wie sich später herausstellte, war es aber schon zu spät.

In Berlin hatte sich mittlerweile der Gesundheitszustand von Alfred Cussel zunehmend verschlechterte. Er starb am 14. April 1941 an den Folgen einer Lungenentzündung. Am 14. November 1941 wurde Recha Cussel nach Minsk deportiert. Seitdem hat die Familie von ihr kein Lebenszeichen mehr erhalten.

Steffi Cussel konnte sich bis zum August 1944 in Berlin verstecken, wurde dann auf offener Straße verhaftet und in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht. Nach ca. zwei Monaten transportierte man sie in das Lager Düben, wo sie im April 1945 von amerikanischen Truppen befreit wurde. Ihr Bruder Peter, dem 1938 die Emigration nach Australien gelungen war, holte Steffi im Februar 1947 nach Sydney.

Alfred Cussel hat seinem Sohn Peter eine Metallplakette mit einem Spruch von Immanuel Kant geschenkt. Ein Motto, das die Familie Cussel in Australien noch heute begleitet:

Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.

[1] Jüdisches Adressbuch Berlin, Ausgabe 1931.