Zwischen Glanz & Schicksalsschlägen
Celles fürstliche Vergangenheit
Celle ist eine der wichtigsten Residenzstädte Niedersachsens. Fast drei Jahrhunderte lang war Celle ständige Residenz der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und somit Regierungssitz des bedeutendsten welfischen Fürstentums. Das Schloss, eingebettet in die idyllische Fachwerkstadt, zeigt bis heute Spuren aus der Zeit als mittelalterlicher Herrschaftssitz, als barocke Residenz bis 1705. Nach dem Tod des letzten Herzogs Georg Wilhelm wurde Celle von Hannover aus regiert. Von 1772-1775 war das Celler Schloss Exil der dänischen Ex-Königin Caroline Mathilde.
Nach Ende der hannoversch-englischen Personalunion 1837 diente es als Nebenresidenz und sommerlicher Aufenthaltsort der Könige von Hannover im 19. Jahrhundert. Es wurde architektonisch nochmals stark aufgewertet - unter anderem durch den Bau eines beeindruckenden Treppenhauses an der Hofseite des Ostflügels durch Georg Friedrich Laves, den Baumeister der Könige von Hannover.
Die Welfen als mächtiges Adelsgeschlecht prägten über Jahrhunderte die wechselvolle Entwicklung des Landes zwischen Elbe und Weser. Zwischen 1714 und 1837 regierten hannoversche Welfen von London aus gleichzeitig das britische Weltreich. Bei einem Besuch im Residenzmuseum erfahren Sie mehr über die Geschichte der Welfen in Celle.
Von der Burg zur Residenz
Verfolgen Sie die typische Entwicklung einer Residenz
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Abwechslungsreiche Präsentationen im Residenzmuseum führen durch die Zeit; dabei erwacht auch ein spätmittelalterlicher Festsaal zum Leben.
Die barocken Raumfolgen des letzten Celler Herzogs Georg Wilhelm bilden mit ihren prächtigen Stuckaturen einen architektonischen Glanzpunkt. -
Der "Königssaal" lockt mit imposanten Bildern und ausgewählten königlichen Kostbarkeiten aus der Zeit der hannoversch-britischen Personalunion und des Königreichs Hannover im 18. und 19. Jahrhundert.
Wenn Wände sprechen könnten
Das Residenzmuseum - Ehemaliges Zuhause der Welfen
Bewegende Frauenschicksale
Hätten Sie es gewusst?
Darf ich vorstellen…
Herzog Georg Wilhelm
(1624-1705)
Bildungsreisen. Brauttausch. Erbfolge.
Er war der zweite Sohn von Herzog Georg (1583-1641) von Calenberg. Georg Wilhelm unternahm Bildungsreisen und hielt sich gerne in den Niederlanden, Italien und vor allem in Venedig auf. Mit dem Regierungsantritt seines älteren Bruders Christian Ludwig im Fürstentum Lüneburg (Celle), erbte Georg Wilhelm 1648 das Fürstentum Calenberg (Hannover). Mit dem Tod seines älteren Bruders Christian Ludwig 1665, wechselte Georg Wilhelm nach Celle in das begehrte Fürstentum Lüneburg.
In Hannover erbte zunächst sein jüngerer Bruder Johann Friedrich das Fürstentum Calenberg. Im Jahr 1663 traf der überzeugte Junggeselle die französische Hugenottin Eléonore Desmier d'Olbreuse und schon war es um ihn geschehen. Aus diesem Grund trat er seine Verlobte, Sophie (1630-1714) Prinzessin von der Pfalz, an seinen jüngeren Bruder Ernst August (1629-1698) ab. Durch diesen Brauttausch hatte er zudem auch für seine Nachkommen auf die Erbfolge verzichtet.
Dadurch verlor Celle nach dem Tod von Georg Wilhelm 1705 die Residenzfunktion und es wurde von da an aus Hannover regiert.
Quellen: Stadt Celle, Cosima Bellersen Quirini, welfen.de
Herzogin Eléonore Desmier d'Olbreuse
(1639-1722)
Glaube. Kultur. Gartentradition.
Eine besonders schillernde Persönlichkeit war die letzte Herzogin von Celle, Eléonore Desmier d’Olbreuse. Sie wurde im Januar 1639 auf einem Schloss bei Usseau, etwa 50 Kilometer von La Rochelle entfernt, geboren. Die landuradelige, sehr angesehene, jedoch nicht besonders wohlhabende Familie gehörte schon seit Generationen der reformierten französischen Glaubensgemeinschaft an, den Hugenotten.
Im Winter 1663 reiste sie nach Kassel. Hier traf sie erstmals auf den Welfen Georg Wilhelm (1624-1705), 15 Jahre älter und nach französischem Vorbild absolutistisch regierend. Bislang galt er als überzeugter Junggeselle. Als der Celler Herzog Georg Wilhelm die liebreizende Eléonore traf, war es um ihn geschehen. Für den Mann aus europäischem Reichsadel jedoch war die junge Frau nicht gerade standesgemäß. Und zudem sollte Georg Wilhelm Sophie von der Pfalz heiraten, Tochter des böhmischen „Winterkönigs“, Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz - und eine Stuartnachfahrin. Doch der Welfenspross pfiff auf Konventionen und trat die angedachte Braut an den jüngeren Bruder ab. Dieser sogenannte Brauttausch schrieb europäische Geschichte und ging in die welfischen Annalen ein. Zehn lange Jahre musste sie auf eine standesgemäße Ehe warten. In der Zeit gebar sie ihre Tochter Sophie Dorothea. Die Ehe galt als ausgesprochen glücklich.
Die „getauschte Braut“ in Hannover indes, nunmehr immerhin zur First Lady im Fürstentum Braunschweig-Lüneburg avanciert, machte Eléonore das Leben zur Hölle, doch diese stand eher an der Seite ihres Gatten und nahm in Celle Einfluss, wo sie nur Einfluss nehmen konnte.
Bereits 1686 kam es in Celle durch die Herzogin zur Gründung einer französisch-reformierten Kirchengemeinde. Die Herzogin trug ebenso zum Bau des Pfarrhauses und zum Lohn des Pfarrers bei. Viele von ihren Landleuten fanden zudem in Celle ein neues Zuhause. Unter der Ägide des Herzogspaares erfuhr das Celler Schloss eine neue Ausgestaltung: Die alte Vierflügelanlage wurde zu einer zeitgemäßen barocken Residenz ausgebaut, bekam neue Fassaden, ein Giebelkranz aus sogenannten Zwerchhäusern sowie überkuppelte Turmspitzen. Besonders ist der Bau des barocken Theaters hervorzuheben. Das Hoftheater wurde von 1670 bis 1675 auf dem Stumpf des einstigen Bergfrieds am Nordflügel errichtet. Éléonore und Georg Wilhelm unterhielten eine eigene Hofkapelle und engagierten zahlreiche Schauspieltruppen. Das Schloss avancierte zum kulturellen Highlight - mit Strahlkraft bis heute. Durch Eléonore angeregt, war auch bereits ab 1670 eine Gartenanlage in einen barocken Lust- und Nutzgarten nach französischem Vorbild umgewandelt worden. Unter ihren Händen war eine Anlage à la mode in der höfischen Gartentradition - mit geometrisch angelegten Beeten, Wegen, Wasserläufen und einer 1677 erbauten Orangerie - angelegt worden.
1722, siebzehn Jahre nach Georg Wilhelms Tod, starb die letzte Celler Herzogin. Eléonore wurde in der Fürstengruft in der Stadtkirche Sankt Marien in Celle beigesetzt, eine Parkallee in Celle ist nach ihr benannt.
Kurprinzessin Sophie Dorothea
(1666-1726)
Herzogin. Geliebte. Verbannte.
Eine aus politischem Kalkül arrangierte Ehe, der Verlust des Geliebten und lebenslange Verbannung - das sind die drei großen Dramen im Leben von Sophie Dorothea, einziges Kind des letzten Celler Herzogspaares Georg Wilhelm und Élénore d'Olbreuse. Die Celler Prinzessin galt in der Barockzeit als eine der hübschesten Heiratskandidatinnen im Lande - und war eine der besten Partien Europas. Der junge Adel stand vor dem Schloss Schlange. Doch ein Brauttausch, den ihr Vater Herzog Georg Wilhelm und ihr Onkel, der hannoversche Kurfürst Ernst August, Jahre zuvor ausgehandelt hatten, zwang sie in eine unglückliche Ehe mit ihrem Cousin Georg Ludwig, der später als Georg I. den englischen Thron besteigen sollte. Die junge Prinzessin indes fügte sich in ihr Schicksal - eine Heirat, welche dem Haus Hannover nach Ableben ihres Vaters die Besitztümer in Celle zusicherte.
Sophie Dorothea gebar ihrem Mann nach wenigen Jahren pflichtgemäß zwei Kinder, darunter den Thronfolger, und verliebte sich bald darauf in Philipp Christoph Graf von Königsmarck, ein Offizier in Diensten des hannoverschen Fürsten. Nach zwei Jahren Heimlichkeiten planten die Liebenden die Flucht, die jedoch verhindert wurde. Den Grafen brachte man um, er gilt offiziell bis heute als verschollen. Sein Verschwinden gibt noch immer ungelöste Rätsel auf. Sophie Dorothea wurde in einem entwürdigenden Scheidungsverfahren allein schuldhaft geschieden. Der Schuldspruch lautete: Verbannung. Exmann Georg Ludwig zog ihr gesamtes Vermögen ein, ihr Name wurde aus allen offiziellen Dokumenten entfernt, ihre Titel aberkannt. Fortan lebte sie streng inhaftiert in Ahlden – einem eher etwas eilig rausgeputzten Fachwerkbau, denn einem repräsentativen Schloss gleich und sehr einsam gelegen – rund um die Uhr bewacht. Ihre Post wurde kontrolliert. Ausflüge waren ihr nur bis zwei Kilometer Entfernung erlaubt. Gelegentlich durfte sie ihre Mutter empfangen. Doch ihre Kinder Sophie Dorothea und Georg August, zum Zeitpunkt ihrer Scheidung erst sieben und elf Jahre alt, durfte sie nie wiedersehen.
Sophie Dorothea, die verbannte „Prinzessin von Ahlden“, wie sie später genannt wurde, lebte noch 32 Jahre lang und starb am 13. November 1726. Um ihr Begräbnis gab es viel Gerangel: Ihre letzte Ruhestätte fand sie erst im Mai 1727 – heimlich und des Nachts wurde sie, wie auch ihre Mutter, in der welfischen Gruft in Celle bestattet.
Königin Caroline Mathilde
(1751-1775)
London. Kopenhagen. Celle.
Die junge englische Prinzessin Caroline Mathilde von Dänemark (1751-1775) wurde mit erst fünfzehn Jahren mit dem dänischen König verheiratet. Ihr Zukünftiger, Christian VII. von Dänemark, war ihr Cousin. Doch der Däne zeigte schon in jungen Jahren Anzeichen einer Geisteskrankheit, die heute verschieden interpretiert wird von Autismus bis Schizophrenie. Aber Dänemark war weit weg, was wusste man schon davon in England? Daher wurde die Ehe „per procurationem“ in London beschlossen und im November darauf die Hochzeit in Dänemark gefeiert.
Von Familie und Heimat fern, war Caroline nun die Ehefrau eines Mannes, der sie weitestgehend ignorierte und verschmähte. Dennoch gebar sie zwei Jahre nach der Eheschließung den ersehnten Thronfolger Friedrich VI. Und bald darauf brachte der König von einer Reise Johann Friedrich Struensee mit, einen Armenarzt aus Altona, zu dem er besonderes Vertrauen entwickelt und den er zu seinem Leibarzt erkoren hatte. Doch nicht nur der König, auch Caroline war von dem Mann fasziniert. Und er von ihr! Sie verliebten sich, eine ménage à trois (Dreiecksbeziehung) begann – übrigens mit dem Segen des Königs - der unter Struensees Einfluss seiner Gemahlin fortan ein wenig zugewandter gegenübertrat. Im Juli 1771 brachte Caroline ihre Tochter Louise Augusta zur Welt, deren Vater, so wird heute gemunkelt, trotzdem wohl eher der Leibarzt war.
Struensee wurde vom König zum Minister ernannt und nutzte seinen Einfluss und führte Dänemark so ganz nebenbei in die Aufklärung - für den Adel eine immense Bedrohung. Komplotte wurden geschmiedet, die ihn schwer belasteten, Caroline wurde als Spielball seiner Gegner benutzt. Sie räumte im März 1772 die Affäre ein, die sämtlichen Höflingen längst ein Dorn im Auge war. Struensee wurde in Haft gesetzt, dem König indes der Haftbefehl erst danach zum Unterschreiben vorgelegt mit dem Hinweis, den Altonaer rasch hinrichten zu lassen. Gesagt, getan. Die Exekution erfolgte im April 1772. Die junge Königin Caroline Mathilde, noch nicht mal einundzwanzig Jahre alt, wurde nach Celle verbannt. Hier lebte sie unglücklich und nur von der Hoffnung erfüllt, dass sie bald ihre Kinder wiedersehen würde. Sie aß viel, las viel, kümmerte sich um Bedürftige und verkehrte bei Spaziergängen in der Stadt gern mit Celler Bürgern allen Standes. Nur drei Jahre später starb sie an Frieselfieber (fieberhafter Erkrankung mit Ausschlag) und wurde in der Fürstengruft in Celle bestattet. Ein Denkmal ist heute in Celle im Französischen Garten zu entdecken, eine Straße trägt ihren Namen, ebenso ein Hotel.